Dissens (§§ 154, 155 BGB)

Oct 27, 2023
 

Konsens und Dissens

Wenn sich beide Parteien einig sind, kommt ein Vertrag zustande (Konsens). Stimmen die Willenserklärungen aber nicht überein, liegt ein Dissens vor. Dabei unterscheidet das Gesetz den offenen Dissens (§ 154 BGB) und den verdeckten Dissens (§ 155 BGB).

Offener Dissens (§ 154 BGB)

Ein offener Dissens liegt vor, wenn den Parteien bewusst ist, dass sie sich nicht geeinigt haben. Für die Rechtsfolge musst Du unterscheiden, ob sich der Einigungsmangel auf einen wesentlichen Vertragsbestandteil (essentialia negotii) bezieht (z.B. Kaufpreis oder Vertragspartei) oder ob der Einigungsmangel sich auf eine Nebenabrede (accidentalia negotii) bezieht.

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Wesentlicher Vertragsbestandteil

Können sich die Parteien nicht über einen wesentlichen Vertragsbestandteil einigen, kommt kein Vertrag zustande. Beispiel: A sagt zu B: „Ich verkaufe Dir dieses Buch für 20€!“ B antwortet: „Ich kaufe es Dir für 15€ ab!“ Der Kaufpreis ist für den Kaufvertrag ein wesentlicher Vertragsbestandteil. Es kommt kein Kaufvertrag zustande. Stattdessen gibt B ein neues Angebot ab (§ 150 II BGB), welches A annehmen kann.

Unwesentlicher Vertragsbestandteil

Bezieht sich der Einigungsmangel nur auf eine Nebenabrede, kommt es für die Wirksamkeit des Vertrags auf den Willen der Vertragsparteien an. Wollen sie, dass der Vertrag trotzdem geschlossen werden soll, ist er wirksam. Wollen sie es nicht, ist er nichtig. Den Willen der Parteien musst Du durch Auslegung ermitteln. Im Zweifel gilt der Vertrag nach § 154 I BGB als nicht geschlossen.

Beispiel: A und B einigen sich darauf, dass A dem B ein gebrauchtes Fahrrad verkauft (Kaufpreis 200€). Sie vereinbaren eine Ratenzahlung. Über die genauen Modalitäten (Höhe der Rate, Anzahl, Termin) der Ratenzahlung herrscht noch Uneinigkeit. Durch Auslegung ist nun zu ermitteln, ob die Parteien den Kaufvertrag trotzdem als geschlossen ansehen. Ein Indiz kann dafür z.B. sein, dass A das Fahrrad an B übergibt und übereignet.

Gelangst Du über die Auslegung zum Ergebnis, dass der Vertrag trotzdem geschlossen sein soll, musst Du die Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung schließen.

Versteckter Dissens (§ 155 BGB)

Bei einem versteckten Dissens gehen die Parteien zwar davon aus, dass sie sich geeinigt haben. In Wahrheit liegt aber ein Einigungsmangel vor. Auch hier musst Du differenzieren, ob sich der Einigungsmangel auf einen wesentlichen oder unwesentlichen Vertragsbestandteil bezieht.

Wesentlicher Vertragsbestandteil

Bezieht sich der Einigungsmangel auf einen wesentlichen Vertragsbestandteil (z.B. Kaufpreis), kommt kein Vertrag zustande.

Unwesentlicher Vertragsbestandteil

Bezieht sich der Einigungsmangel auf einen unwesentlichen Vertragsbestandteil, ist wiederum der Wille der Vertragsparteien entscheidend. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Parteien (anders als beim offenen Dissens) davon ausgehen, einen wirksamen Vertrag geschlossen zu haben und darauf vertrauen. Deshalb gilt nach § 155 BGB das Vereinbarte, wenn anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen sein würde. Ob die Parteien den Vertrag auch ohne eine Vereinbarung über den unwesentlichen Vertragsbestandteil geschlossen hätten, musst Du wiederum durch Auslegung ermitteln. Bejahst Du das, musst Du die Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung schließen.

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