Offener und Verdeckter Kalkulationsirrtum

bgb at Oct 29, 2022
 

 

Was ist ein Kalkulationsirrtum?

Die Definition zum Kalkulationsirrtum lautet: Bei einem Kalkulationsirrtum irrt der Erklärende über einen Umstand, den er seinen Berechnungen zugrunde legt.

Noch genauer unterscheidet man zwei Arten von Kalkulationsirrtümern: Den offenen Kalkulationsirrtum und den verdeckten Kalkulationsirrtum.

 

Tipp: Wenn Du einen Fall zu einem Kalkulationsirrtum suchst, dann schau Dir oben das Video an.

 

Verdeckter Kalkulationsirrtum

Definition: Bei einem verdeckten Kalkulationsirrtum wird dem Empfänger die Kalkulation nicht offengelegt. Die Kalkulation bleibt verdeckt. Der Empfänger hat also keine Ahnung, wie der Erklärende den Preis berechnet hat.

Beispiel verdeckter Kalkulationsirrtum: A möchte im Laden der B eine Spielzeugeisenbahn für ihren Sohn kaufen. Da kein Preisschild angebracht ist, erkundigt sich A bei B, für welchen Preis sie das Set erwerben könne. B geht zu ihrem Schreibtisch und schaut in eine veraltete Preisliste, in der der Preis für das Set mit 100€ angegeben wird. B nennt A den Preis. A nimmt das Angebot an und verlässt nach Bezahlung fröhlich den Laden. B findet nun in ihrem Spam-Ordner die aktuelle Preisliste, in der der Preis mit 120€ angegeben wird.

 

Offener Kalkulationsirrtum

Definition: Bei einem offenen Kalkulationsirrtum wird dem Empfänger die Kalkulation offengelegt, so dass dieser die Berechnung des Preises nachvollziehen kann.

Beispiel offener Kalkulationsirrtum: A möchte sein Wohnzimmer von Handwerker B renovieren lassen. Nach einem Treffen mit A schickt der B ein Angebot an A und hängt diesem eine sechsseitige Kalkulation an, in der die einzelnen Posten und der jeweilige Einzelpreis aufgelistet sind. Bei der Addition unterläuft dem B ein Rechenfehler, sodass er als Gesamtpreis 18.000 € angibt. Das korrekte Additionsergebnis wären 20.000€ gewesen. A nimmt das Angebot an.

 

Tipp: Wenn Du wissen willst, wie Du einen Kalkulationsirrtum in Deiner Klausur prüfen musst, dann schau Dir oben das Video an.

 

Das Problem beim Kalkulationsirrtum

Das BGB kennt bei der Irrtumsanfechtung vier verschiedene Anfechtungsgründe: Inhaltsirrtum (§ 119 I Fall 1 BGB), Erklärungsirrtum (§ 119 I Fall 2 BGB), Eigenschaftsirrtum (§ 119 II BGB) und Übermittlungsirrtum (§ 120 BGB). Dabei gilt der Grundsatz: Motivirrtümer sind unbeachtlich. Das bedeutet: Es kommt nur darauf an, ob der Erklärende sich bei der Abgabe der Willenserklärung geirrt hat. Wenn der Erklärende sich vorher bei der Willensbildung geirrt hat, ist das unbeachtlich. Er bekommt kein Anfechtungsrecht. Der Sinn und Zweck dahinter ist der Schutz des Erklärungsempfängers. Denn Motivirrtümer kann dieser nicht erkennen. Vor diesem Grundsatz ist es problematisch, ob der Kalkulationsirrtum ein unbeachtlicher Motivirrtum ist, der nicht zur Anfechtung berechtigt, oder ob der Erklärende bei einem Kalkulationsirrtum ein Anfechtungsrecht aus § 119 I BGB erhält. Wie immer musst Du hier unterscheiden zwischen dem verdeckten Kalkulationsirrtum und dem offenen Kalkulationsirrtum.

 

Lösung Fall Verdeckter Kalkulationsirrtum  

Bei einem verdeckten Kalkulationsirrtum (s.o.) erklärt der Erklärende immer das, was er erklären will. Außerdem irrt er sich nicht über den Inhalt seiner Erklärung. Ein verdeckter Kalkulationsirrtum ist also weder ein Erklärungsirrtum noch ein Inhaltsirrtum. Bei einem verdeckten Kalkulationsirrtum irrt der Erklärende schon bevor er seine Willenserklärung abgibt. Deshalb ist ein verdeckter Kalkulationsirrtum immer nur ein unbeachtlicher Motivirrtum und der Erklärende kann nicht anfechten.

 

Lösung Fall Offener Kalkulationsirrtum

Bei einem offenen Kalkulationsirrtum ist der Empfänger der Willenserklärung weniger schutzwürdig, weil er Einblicke in die Kalkulation erhält. Deswegen ist die Lösung bei einem offenen Kalkulationsirrtum umstritten.

Nach einer Ansicht ist der offene Kalkulationsirrtum ein „erweiterter Inhaltsirrtum“, so dass der Erklärende seine Willenserklärung nach § 119 I Fall 1 BGB anfechten kann. Die Begründung dieser Ansicht ist: Die Kalkulation wird offengelegt und wird damit Teil der Erklärung. Und wenn die Kalkulation Teil der Erklärung ist, dann kann man die Erklärung anfechten.

Nach der herrschenden Meinung berechtigt auch ein offener Kalkulationsirrtum nicht zur Anfechtung. Selbst wenn die Kalkulation offengelegt wird, bleibt die Kalkulation Teil der Willensbildung. Und damit bleibt es bei einem unbeachtlichen Motivirrtum. In Ausnahmefällen kann der Erklärende trotzdem anfechten, wenn der Erklärungsempfänger die falsche Kalkulation erkennt und die Durchführung des Vertrages für den Erklärenden schlechthin unzumutbar wäre. Diese Ausnahme wird auf § 242 BGB gestützt, greift aber selten ein.

 

Zusammenfassung Kalkulationsirrtum

Bei einem Kalkulationsirrtum irrt der Erklärende über einen Umstand, den er seinen Berechnungen zugrunde legt.

Dabei musst du zwei Arten des Kalkulationsirrtums unterscheiden: Bei einem verdeckten Kalkulationsirrtum wird die Kalkulation nicht offengelegt. Der Erklärende hat kein Anfechtungsrecht. Es handelt sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum.

Bei einem offenen Kalkulationsirrtum wird die Kalkulation gegenüber dem Empfänger offengelegt. Das hat zur Folge, dass der Empfänger der Willenserklärung ein bisschen weniger schutzwürdig ist, als bei einem verdeckten Kalkulationsirrtum. Deshalb sagt eine Ansicht: Das ist ein Inhaltsirrtum. Die herrschende Meinung sagt: Auch, wenn die Kalkulation offengelegt wird, handelt es sich lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Der Erklärende hat kein Anfechtungsrecht. In absoluten Ausnahmefällen findet eine Korrektur über § 242 BGB statt.

 

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