Wirksamwerden von Willenserklärungen unter Anwesenden

Eine Willenserklärung unter Anwesenden liegt vor, wenn die beteiligten Parteien vor Ort sind oder miteinander telefonieren (§ 147 I 2 BGB). Wann Willenserklärungen unter Anwesenden wirksam werden, ist nicht ausdrücklich geregelt. Man orientiert sich aber an den Voraussetzungen von § 130 BGB. Somit müssen Abgabe und Zugang vorliegen. Ein gleichzeitiger oder vorheriger Widerruf ist bei Anwesenden nicht möglich, so dass dieser Punkt hier nicht zu prüfen ist.

Tipp: Wann eine Willenserklärung unter Abwesenden wirksam wird, haben wir Dir in diesem Video erklärt.

Schriftliche Erklärungen

Eine schriftliche Erklärung wird wirksam, wenn sie an den Empfänger übergeben wird. Wenn Du z.B. Deinem Vermieter persönlich eine Kündigung überreichst, wird diese Willenserklärung in dem Moment der Übergabe wirksam.

Mündliche Erklärungen

Etwas komplizierter ist der Zugang von mündlichen Willenserklärungen (nicht verkörperte Willenserklärungen).

Strenge Vernehmungstheorie

Nach einer Ansicht (strenge Vernehmungstheorie) geht eine empfangsbedürftige Willenserklärung erst dann zu, wenn der Erklärungsempfänger sie tatsächlich vernimmt und richtig versteht. Das Risiko von Missverständnissen geht also zu Lasten des Erklärenden. Dies widerspricht der Wertung von § 130 BGB. Denn danach muss jeder nur das Risiko der Sphäre tragen, die er selbst beherrscht. So soll der Erklärende zwar alles dafür tun, dass der Empfänger ihn versteht. Aber der Empfänger muss auch dafür sorgen, dass er in der Lage ist, die Erklärung zu verstehen.

Tipp: Die besten Erklärvideos für Dein Jurastudium findest Du hier! 

Eingeschränkte Vernehmungstheorie

Deshalb vertritt die herrschende Meinung die eingeschränkte Vernehmungstheorie: Ein Zugang liegt auch dann vor, wenn die Erklärung zwar nicht richtig verstanden worden ist, der Erklärende aber vernünftigerweise annehmen konnte, richtig verstanden worden zu sein. Wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Empfänger die Willenserklärung nicht richtig verstanden hat (z.B.: laute Hintergrundgeräusche oder undeutliche Aussprache), geht die Willenserklärung auch dann zu, wenn der Empfänger sie nicht richtig versteht.