Abhandengekommene Willenserklärung

Oct 30, 2023
 

Ein besonderes Problem im Rahmen der Wirksamkeit von Willenserklärungen verbirgt sich hinter der Fallgruppe der „abhandengekommenen Willenserklärung“. Wenn das Problem im Fall relevant wird, dann im Rahmen der Abgabe der Willenserklärung. 

Beispiel Abhandengekommene Willenserklärung

Student A möchte seinen Vertrag im Fitnessstudio kündigen. Er schreibt eine Kündigung, druckt sie aus und packt sie in ein an das Fitnessstudio adressierten Briefumschlag. Diesen Briefumschlag lässt er auf dem Küchentisch liegen und geht eine Runde spazieren. Mitbewohnerin B entdeckt den Umschlag und geht davon aus, dass A den Umschlag vergessen hätte. Daher ist sie so lieb und wirft den Brief auf dem Weg zur Uni in den Briefkasten. Nach dem Spaziergang hat A sich alles anders überlegt und möchte nicht mehr kündigen. Ist die Willenserklärung von A wirksam?

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Das Problem

Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden. Damit sie wirksam ist, müssen gem. § 130 BGB drei Voraussetzungen vorliegen: Abgabe, Zugang und kein Widerruf. Problematisch ist im Fall, ob eine Abgabe vorliegt. 

Die Meinungen

Nach einer Ansicht liegt in diesem Fall keine Abgabe vor. Stattdessen bekommt der Empfänger gegen den Erklärenden aber einen Schadensersatzanspruch. Gestützt werden kann dieser Anspruch entweder auf § 122 BGB analog oder auf die §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB (Culpa in Contrahendo). Nach einer anderen Ansicht liegt auch bei einer abhandengekommenen Willenserklärung eine Abgabe vor.

Die Argumente

Gegen eine Abgabe spricht das Prinzip der Privatautonomie. Der Erklärende wollte die Erklärung am Ende doch nicht abgeben, so dass unter Umständen ein Vertrag gegen den Willen des Erklärenden geschlossen werden kann.

Allerdings hat der Erklärende die Möglichkeit, seine Willenserklärung anzufechten und so seine Privatautonomie zu wahren.

Zudem stammt die Willenserklärung und das „Missgeschick“ aus der Sphäre des Erklärenden. Und nach § 130 BGB trägt jeder das Risiko für seine eigene Sphäre, so dass die Verantwortung für die Abgabe der Willenserklärung beim Erklärenden liegt.

Schließlich spricht der Schutz des Rechtsverkehrs für eine Abgabe. Der Empfänger kann nicht erkennen, wer die Willenserklärung in den Rechtsverkehr eingebracht hat. Er muss darauf vertrauen können, dass die Willenserklärung vom Erklärenden stammt und dass dieser sie auch in den Verkehr gebracht hat. Daher liegt auch im Fall einer abhandengekommenen Willenserklärung eine Abgabe vor.

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