Materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
Jul 19, 2022Das materielle Prüfungsrecht des Bundespräsidenten ist ein absoluter Klassiker für jede Klausur im Staatsorganisationsrecht. Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten darf in keinem Staatsorga Fall, Staatsorga Lehrbuch oder Staatsorga Skript fehlen. In diesem Blog-Post geben wir Dir einen klienen Überblick über das Problem und die wichtigsten Argumente zum materiellen Prüfungsrecht des Bundespräsidenten.
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Abschluss des Gesetzgebungsverfahren: Ausfertigung durch Bundespräsidenten
Zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens fertigt der Bundespräsident das Gesetz aus (Art. 82 I 1 GG). Was aber passiert, wenn der Bundespräsident die Ausfertigung verweigert? Zum Beispiel, weil er der Meinung ist, dass das Gesetz formell oder materiell verfassungswidrig ist. Darf der Bundespräsident das? Hat der Bundespräsident ein Prüfungsrecht?
Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
Es gibt drei Prüfungsrechte, die Du unterscheiden musst: Das politische Prüfungsrecht, das formelle Prüfungsrecht und das materielle Prüfungsrecht. Ein politisches Prüfungsrecht hat der Bundespräsident nicht. Ein formelles Prüfungsrecht steht dem Bundespräsidenten hingegen zu. Ob der Bundespräsident aber auch ein materielles Prüfungsrecht hat, ist umstritten.
Das politische Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 II 2, III GG) folgt, dass der Bundespräsident kein politisches Prüfungsrecht hat. Er darf also die Ausfertigung eines Gesetzes z.B. nicht verweigern, weil er denkt, dass man die Arbeitslosenquote durch eine andere Regelung besser senken könnte.
Das formelle Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
Dem Bundespräsidenten steht ein formelles Prüfungsrecht zu. Er kann die Ausfertigung verweigern, wenn er der Ansicht ist, dass das Gesetz formell verfassungswidrig ist. Ein Gesetz kann beispielsweise verfassungswidrig sein, wenn der Bund nicht die Gesetzgebungskompetenz für das Gesetz innehat oder Fehler im Gesetzgebungsverfahren passiert sind. Begründet wird das formelle Prüfungsrecht des Bundespräsidenten mit dem Wortlaut von Art. 82 I 1 GG: „Die nach den Vorschiften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatte verkündet.“ Ein Gesetz ist nur dann nach den Vorschriften des GG zustande gekommen, wenn es formell verfassungsgemäß ist. Auch spricht die Systematik für ein formelles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten, denn Art. 82 GG steht am Ende des Abschnittes über die Gesetzgebung des Bundes (Art. 70 ff. GG). Und in diesem Abschnitt ist die formelle Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes geregelt.
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Das materielle Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
Hat der Bundespräsident ein materielles Prüfungsrecht? Die Antwort ist umstritten. Es geht um die Frage, ob der Bundespräsident die Ausfertigung z.B. verweigern darf, weil er der Ansicht ist, dass das Gesetz gegen Grundrechte oder Staatsstrukturprinzipien verstößt.
Warum ist es umstritten?
Das Problem existiert, weil Art. 82 GG zwei mögliche Auslegungen zulässt: Zum einen kann man sagen: Die „Vorschriften des GG“ umfassen jede Norm im Grundgesetz, also auch Grundrechte oder Staatstrukturprinzipien. Mit dieser Auslegung stünde dem Bundespräsidenten ein materielles Prüfungsrecht zu.
Zum anderen kann man aber auch sagen: Art. 82 GG bezieht sich nur auf die formelle Verfassungsmäßigkeit, weil Art. 82 GG in dem Abschnitt zur Gesetzgebung steht. Nach dieser Auslegung hätte der Bundespräsident nur ein formelles Prüfungsrecht und kein materielles Prüfungsrecht.
Argumente gegen ein materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
- Gegen ein materielles Prüfungsrecht des Bundespräidenten spricht das Normverwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichtes. Nur das Bundesverfassungsgericht ist dafür zuständig zu entscheiden, ob ein Gesetz verfassungsgemäß ist oder nicht.
- Gegenargument: Das Organstreitverfahren. Selbst wenn der Bundespräsident ein materielles Prüfungsrecht hätte und die Ausfertigung verweigern würde, könnte ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht angestrengt werden. Inhaltlich geht es dann in dem Verfahren hauptsächlich um die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, so dass am Ende trotzdem das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort spricht.
- Zweites Gegenargument ist ein historisches Argument: Im Vergleich zum Reichspräsidenten in der Weimarer Verfassung hat der Bundespräsident bewusst deutlich weniger Befugnisse.
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Argumente für ein materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
- Für ein materielles Prüfungsrecht spricht der Amtseid des Bundespräsidenten aus Art. 56 GG. Danach verpflichtet er sich, nicht gegen die Verfassung zu verstoßen. Würde er jetzt ein materiell verfassungswidriges Gesetz ausfertigen, würde er diesen Amtseid verletzen.
- Gegenargument: Zirkelschluss. Das Amtseid-Argument ist ein Zirkelschluss. Der Bundespräsident verletzt nur dann seinen Amtseid, wenn ihm das materielle Prüfungsrecht überhaupt zusteht.
- Für ein materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten spricht das Rechtsbindungsargument. Nach Art. 1 III GG und Art. 20 III GG ist der Bundespräsident an die Grundrechte und die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Ist das vorgelegte Gesetz klar verfassungswidrig, ist es dem Bundespräsidenten nicht zuzumuten „sehenden Auges“ ein verfassungswidriges Gesetz auszufertigen.
Herrschende Meinung materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
Die herrschende Meinung ist in gewisser Weise ein Kompromiss. Nach der herrschenden Meinung steht dem Bundespräsidenten ein materielles Prüfungsrecht zu, aber nur dann, wenn der Verstoß gegen das Grundgesetz evident ist. Die Verfassungswidrigkeit muss offensichtlich und zweifelsfrei sein.
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