Wegnahme und Gewahrsam - § 242 StGB
Jun 05, 2023Die Wegnahme ist der wichtigste Prüfungspunkt im Rahmen des Prüfungsschemas des Diebstahls nach § 242 StGB. Die Wegnahme wird definiert als der Bruch fremden Gewahrsams und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Deshalb musst Du unbedingt wissen, was Gewahrsam bedeutet und die relevanten Problemfälle kennen. Deshalb lernst Du in diesem Beitrag, was Gewahrsam bedeutet, wer Gewahrsam hat, wenn es mehrere Gewahrsamsinhaber gibt und wer Gewahrsam an verlorenen oder vergessenen Sachen hat.
1. Definition Wegnahme
Die Wegnahme wird definiert als Der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise eigenen Gewahrsams. Ob eine Wegnahme vorliegt prüfst Du in drei Schritten: a) Fremder Gewahrsam, b) Neuer Gewahrsam, c) Gewahrsamsbruch.
a) Fremder Gewahrsam
Zunächst musst Du prüfen, ob jemand anders als der Täter Gewahrsam an der Sache gehabt hat.
b) Neuer Gewahrsam
Im Anschluss prüfst Du, ob der Täter oder ein Dritter neuen Gewahrsam an der Sache begründet hat.
c) Gewahrsamsbruch
Ein Bruch des fremden Gewahrsams liegt vor, wenn der Täter den fremden Gewahrsam ohne oder gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers aufhebt. Wenn der ursprüngliche Gewahrsamsinhaber mit der Wegnahme einverstanden ist, liegt kein Bruch vor (tatbestandsausschließendes Einverständnis). Die bloße Beobachtung der Tat (z.B. durch Ladendetektiv) stellt allerdings kein Einverständnis mit der Wegnahme dar. Diebstahl ist kein heimliches Delikt. Ein Einverständnis liegt aber in Fällen der Diebesfalle vor. Der Eigentümer präpariert den zu klauenden Gegenstand so, dass der Täter später überführt werden kann. Der Berechtigte ist somit mit der Wegnahme einverstanden und es liegt kein Bruch des Gewahrsams vor. Der Täter wird jedoch wegen eines (untauglichen) Versuchs bestraft (§§ 242, 22 StGB).
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2. Definition Gewahrsam
Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache, getragen von einem natürlichen Herrschaftswillen. Umfang und Grenzen des Gewahrsams werden unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung bestimmt. Den Begriff Gewahrsam darfst Du nicht mit dem Besitz verwechseln. So ist z.B. der Besitzdiener (§ 855 BGB) zwar kein Besitzer, aber Gewahrsamsinhaber.
a) Sonderfall Gewahrsamssphäre
Der Inhaber eines räumlichen Machtbereiches besitzt den generellen Herrschaftswillen über Sachen in diesen Räumlichkeiten, so dass er nach der Verkehrsauffassung Gewahrsamsinhaber dieser Sachen ist. Bsp.: Du hast Gewahrsam an den Gegenständen in Deiner Wohnung, auch wenn Du im Urlaub bist.
b) Problem: Mehrere Gewahrsamsinhaber
Mehrere Personen können gemeinsam Gewahrsam an einer Sache haben (Mitgewahrsam). Dabei können die Gewahrsamsinhaber auf einer Stufe stehen (gleichrangig) oder in einem Über-/Unterordnungs-verhältnis zueinander stehen. Gleichrangiger Gewahrsam besteht z.B. bei Ehegatten bezüglich der gemeinsam genutzten Sachen in der gemeinsamen Wohnung. Bei gleichrangigen Gewahrsam kann jeder Gewahrsamsinhaber den Gewahrsam brechen. Ein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht i.d.R. in Dienst- und Arbeitsverhältnissen. Hier kann nur der untergeordnete Gewahrsamsinhaber (z.B. Arbeitnehmer) den Gewahrsam brechen. Bsp.: Der im Ladengeschäft des O angestellte T nimmt eine Ware mit ohne zu bezahlen. Eine Besonderheit besteht bei Kassierern in Supermärkten. Wenn diese die Kasse eigenver-antwortlich führen, haben sie Alleingewahrsam an dem Geld in der Kasse. Klaut also ein Kassierer Geld aus der Kasse ist dies kein Diebstahl, sondern nur eine veruntreuende Unterschlagung.
c) Gewahrsam an verlorenen und vergessenen Sachen
Bei Gewahrsam an verlorenen und vergessenen Sachen musst Du genau differenzieren. Verloren heißt, dass der Gewahrsamsinhaber nicht weiß, wo die Sache ist. Vergessen heißt, dass er weiß, wo die Sache ist. Wenn jemand eine Sache außerhalb einer Gewahrsamssphäre verliert (z.B. Wald), wird die Sache gewahrsamslos. Es kommt nur noch eine Unterschlagung gem. § 246 StGB in Betracht. Wenn jemand eine Sache in einer fremden Gewahrsamssphäre verliert (z.B. Hörsaal) dann endet sein Gewahrsam. Jedoch entsteht neuer Gewahrsam des Sphäreninhabers. Dessen Gewahrsam kann gebrochen werden. Wenn jemand eine Sache außerhalb einer Gewahrsamssphäre vergisst, besteht der Gewahrsam fort. Wenn jemand eine Sache innerhalb einer fremden Gewahrsamssphäre vergisst, besteht der Gewahrsam fort. Der Sphäreninhaber begründet jedoch Mitgewahrsam.
d) Gewahrsamsenklave
Neuer Gewahrsam entsteht auch dann, wenn eine Person Sachen in ihre höchstpersönliche Sphäre verbringt. Bsp.: Ladendieb steckt Sache in seine Tasche oder Jacke.
e) Gewahrsamslockerung
Von einem Gewahrsamswechsel musst Du die Gewahrsamslockerung unterscheiden. Gelockerter Gewahrsam liegt z.B. vor, wenn der Juwelier dem Kunden einen Ring zur Anprobe im Sonnenlicht überlässt und der Kunde dann verschwindet. Es liegt kein einverständlicher Wechsel des Gewahrsams, sondern lediglich ein gelockerter Gewahrsam des Juweliers vor. Der Kunde begeht einen (Trick-)Diebstahl. In solchen Fällen kann die Abgrenzung zum Betrug (§ 263 StGB) problematisch sein.
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